1976
Die Fasnacht von Fritzens ist ein sehr schönes Beispiel für die Formierung eines Brauches und einer Tradition, die heute aber seit immerhin fast 35 Jahren besteht. Die Gründung der Brauchtumsgruppe Fritzens, mit der die Fasnacht in ihrer derzeitigen Form in Fritzens Einzug hielt, erfolgte am 8. Dezember 1976. Ob in der ca. 2.000 Einwohner zählenden Gemeinde, die 16 km östlich von Innsbruck auf der linken Innseite liegt und in Nachbarschaft zu Fasnachtsorten wie Absam, Volders und Wattens steht, schon früher die Fasnacht gefeiert wurde, ist nicht bekannt, aber anzunehmen. Liest man im Gründungsbuch der Brauchtumsgruppe, so fällt auf, mit welcher Begeisterung und Ernsthaftigkeit 35 fasnachtsbegeisterte Fritzener um ihren Gründungsobmann Vinzenz Angerer daran gingen, eine eigene Fritzener Fasnacht zu gestalten. Es gab nichts, worauf man aufbauen konnte, auch keine alten Larven. Angerer opferte, wie es im Gründungsbuch heißt, „viele Stunden seiner Freizeit“, um „Geld zu sammeln sowie auch die neuen Schellen aufzuputzen und mit Tragriemen zu versorgen“. Die Brauchtumsgruppe begann zunächst mit dem Schellenschlagen. Man kaufte 20 Schellen an und ließ die Ausstattung für Hexen, Hütltuxer, Zottler und einen Affen anfertigen. Gleich Anfang Jänner 1977 begannen die Fasnachtler mit ihrem wöchentlichen „Schellenschlagertraining“. Bei der ersten Ausrückung am 22. Jänner 1977 waren 29 Mann mit von der Partie, nämlich zwanzig Schellenschlager, zwei Hexen, vier Hütltuxer mit Ziehharmonika, zwei Zottler und ein Affe. Bei der vierten Ausrückung am 22. Februar ging man schon mit 45 Mann den Naz „eingraben“, eine die Fasnacht symbolisierende Puppe, die fortan jährlich im Beisein einer skurrilen Trauergemeinde, der Naz-Witwe, eines Pfarrers und von Musikanten „begraben“, „verbrannt“, meist aber nach Verlesung ihrer erfundenen „Missetaten“ im Webermisthaufen eingegraben wurde. Heute wird der Naz nur noch alle vier Jahre, nämlich dann, wenn in Fritzens ein großer Fasnachtsumzug stattfindet, aus- und eingegraben.
1977
In der Folge verfeinerten die Fritzner Matschgerer rasch ihre Fertigkeiten. Die Zottler-Darsteller übten sich im Trestern, und zwar 1977 schon in einem eigenen Vereinslokal, das ihnen die Gemeindeführung zugeteilt hatte. Im Jahr darauf verfügten sie nach dem Vorbild der umliegenden Fasnachtsdörfer bereits zusätzlich über einen Spiegeltuxer, über zwei Bären mit Treibern und noch mehr Zottler. Mullen gingen sie zunächst nur im Dorf, und zwar im Oberdorf, in den Außenhöfen, in der Dorfmitte und im Unterdorf. Doch schon in ihrer zweiten Saison nahmen sie die erste auswärtige Einladung an und fuhren mit 49 Mann zu einem Fasnachtsumzug nach Reith bei Seefeld. Bald folgten Auftritte bei Umzügen in Volders, Weer und Mils und beim Tiroler Bauernbundball in Innsbruck.
1979
1979 kamen mit dem Klötzler und Kasperl zwei weitere Masken hinzu, auch verstärkte man die Musik und sorgte mit einem Begleitensemble aus Teufelsgeige, Ziehharmonika und Gitarre für Aufsehen. Im Jahr 1980 feierte das eigene Fasserrössl mit Schmied, Rosser und dem Lehrbuben des Schmiedes seine Premiere. „Die Aufführung war jedes Mal ein Schauspiel für sich“, vermerkte dazu er Chronist. Die Vorbilder fand man vermutlich in den entsprechenden Figuren der MARTHA-Dörfer.
1981
In der Fasnacht 1981, die mit dem Nazausgraben beim Webermisthaufen begann, zeigte es sich, dass die Aktivitäten der Matschgerer in der Bevölkerung großen Anklang finden. Zum ersten Matschgererumzug mit Gästen aus Kolsass, Schwaz, Mils und Baumkirchen kamen an die 3.000 Zuschauer, um insgesamt ca. 480 Maskierte zusehen. Heute richten die Fritzner Matschgerer in Abwechslung mit den Fasnachtlern von Wattens, Kolsass und Volders alle vier Jahre den großen Fasnachtsumzug der Region 19 aus. Unter ihrem zweiten Obmann Hermann Posch (1982–1985) wurde erstmals der Kindermaskenumzug vom Hubertushof zur Schule durchgeführt. Die sozialen Aktivitäten beschränkten sich laut dem Gründungsbuch selbst in der Anfangszeit nicht nur auf die Fasnachtszeit, sondern erstreckten sich über das ganze Jahr. In den Sommer- und Herbstmonaten traf man sich beispielsweise zu sportlichen Wettkämpfen mit den Fasnachtlern der Nachbargemeinden. Die Chronik berichtet von den unterschiedlichen Erfolgen der Bauchtumsgruppe Fritzens beim Fußballspielen, „Boanhaggeln“, Seilziehen und Steinheben.
Entnommen aus:
Thomas Nußbaumer, Fasnacht in Nordtirol und Südtirol. Von Schellern, Mullern, Wudelen, Wampelern und ihren Artgenossen, Innsbruck: Loewenzahn, 2010, S. 250–253.
Mit Erlaubnis des Verfassers.